Montag, 19. Juli 2004
Boom der Billigfriseure
figaro, 19:02h
Friseurbranche klagt über Minus, doch Geschäft mit dem schnellen Schnitt brummt
Schnelle Entscheidung, kein Termin, waschen, schneiden, fertig. Macht um die zwölf Euro und findet in deutschen Großstädten immer mehr Fans. Während die Friseurbranche allgemein über weniger Kunden und weniger Umsatz klagt, profitieren die Cut-and-go-Läden vom Trend zum Sparen. Das Angebot scheint schneller zu wachsen als das zu schneidende Haar: Allein im Bremer Ostertor konkurrieren mittlerweile sieben Geschäfte um die Köpfe der Kunden.
Großes Programm gibt es nicht, die Kunden wissen meist genau was sie wollen. "Keine Schnörkel, kaum Drumrum, stattdessen reduzierte Dienste in hoher Qualität zu guten Preisen", beschreibt Detlef Hünnecke sein Konzept. 1996 eröffnete der 39-jährige Bremer Friseurmeister den Cut-and-go-Salon "headhunter" (Kopfjäger) am Dobben. Als erster Friseur in Deutschland entschied Hünnecke sich damit gegen das bisher übliche Programm und für die Basisdienste am Haar. "Mitte der 1990er war das nicht eine Marktlücke, sondern vielmehr ein Krater." Der Friseurbesuch ohne Anmeldung sei schon vorher möglich gewesen, Selberföhnen und -frisieren jedoch nicht. "Die Kunden wollen keine aufwendige Frisuren mehr", meint Hünnecke. "Viele waschen sich doch nach dem Friseurbesuch zu Hause als erstes die Haare." Oder sie seien am nächsten Morgen gefrustet, wenn die Frisur trotz langer Föhnaktion und jeder Menge Styling-Produkte nicht sitzt.
In den Cut-and-go-Läden haben die Kunden ihr Aussehen selbst in der Hand. Das spart Frust. Vor allem aber Geld. Ob Mann, Frau oder Kind – Waschen und Schneiden ohne Voranmeldung kosten einen festen Preis. Tönung und Strähnen auch, nur für ausgefallenere Farbbehandlungen zahlen die Kunden drauf. "Eine Mischkalkulation", sagt Hünnecke. "Was bei dem einen Kunden länger dauert, sparen wir beim Nächsten wieder ein." Weil seine beiden Salons in Bremen zwischen 70 und 90 Prozent ausgelastet sind, sei das Konzept auch wirtschaftlich tragbar, erklärt Hünnecke.
Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks machte im letzten Jahr 4,5 Prozent weniger Umsatz, und die Arbeitslosigkeit unter den Friseuren steigt. Ihre Chancen sehen die traditionellen Haarkünstler "in einer aktiven Beratung, mit dem Ziel, den Kunden bislang nicht genutzte Leistungen und Produkte anzubieten", so der Verband. Umfassende Beratung biete der "headhunter" auch, sagt Hünnecke. Egal ob Kunden nun eine Radikalveränderung oder nur Styling-Tipps wünschten.
Brigitte Seekamp, Obermeisterin der Friseurinnung Bremen, vergleicht die Schnellschneider mit Imbissbuden, herkömmliche Friseure mit Gourmetrestaurants: "Viele Kunden wollen sich etwas gönnen, suchen Entspannung, wollen verwöhnt und nicht ratzfatz bedient werden." Die Cut-and-go-Läden empfindet sie daher nicht als Konkurrenz. "Das ist nur was für junge, flippige Leute", sagt Seekamp. "Szenig und unkonventionell", meint auch Dirk Kramprich vom Friseur-Zentralverband.
Dennoch springen immer mehr Friseure auf den Trendzug, bieten Cut-and-go zu bestimmten Zeiten an speziellen Tagen. "Nicht glaubwürdig", findet Hünnecke. Erst das einheitliche Konzept der rationalisierten Friseurbetriebe habe Cut-and-go zum Vormarsch verholfen. Die Werkstattatmosphäre scheint den Nerv der Zeit zu treffen: Auf das Wesentliche reduzierte Discounter wachsen trotz Wirtschaftskrise bei Umsatz und Gewinn, Geiz ist geil und Sparen neuer Volkssport.
Hünnecke weiß von derzeit 40 Cut-and-go-Geschäften in Hamburg, etwa 60 seien es in Berlin. "Haarschlachterei" heißen die Szenefriseure in der Hauptstadt, "Kaiserschnitt", "Ponyclub" oder "Vokuhila". Das Personal ist jung, die Musik laut, das Haargel quietschgelb und geraucht werden kann sowieso. Im Bremer "headhunter" zieht der Kunde eine Nummer wie früher an der Supermarkt-Fleischtheke und heute auf dem Arbeitsamt. Die Wartezeit wird am kostenlosen Internet-Computer totgeschlagen, Milchkaffee, Bier und Afri-Cola kosten extra.
Schnellfriseur Hünnecke sagt, der Markt sei noch nicht übersättigt. Sein Prinzip mache schließlich dem Schwarzmarkt den Garaus: "Wer sich früher seinen Haarschnitt für wenig Geld privat besorgte, geht jetzt zu einem Cut-and-go-Friseur." Rund 1,3 Millionen Euro haben die drei Geschäfte in Bremen und Berlin im letzten Jahr abgeworfen, sagt Hünnecke. Die Filiale in Berlin hat er jedoch vor kurzem an einen Lizenz-Nehmer verkauft. Auch geplante Läden sollen nur noch im Franchise-System laufen. Allerdings will Hünnecke bald mit einem neuen Geschäfts-Konzept auf die Jagd nach Kundenköpfen gehen. "In unserer Branche fressen nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen."
Daniela Schröder (6/2003)
(Quelle: tachauch)
Schnelle Entscheidung, kein Termin, waschen, schneiden, fertig. Macht um die zwölf Euro und findet in deutschen Großstädten immer mehr Fans. Während die Friseurbranche allgemein über weniger Kunden und weniger Umsatz klagt, profitieren die Cut-and-go-Läden vom Trend zum Sparen. Das Angebot scheint schneller zu wachsen als das zu schneidende Haar: Allein im Bremer Ostertor konkurrieren mittlerweile sieben Geschäfte um die Köpfe der Kunden.
Großes Programm gibt es nicht, die Kunden wissen meist genau was sie wollen. "Keine Schnörkel, kaum Drumrum, stattdessen reduzierte Dienste in hoher Qualität zu guten Preisen", beschreibt Detlef Hünnecke sein Konzept. 1996 eröffnete der 39-jährige Bremer Friseurmeister den Cut-and-go-Salon "headhunter" (Kopfjäger) am Dobben. Als erster Friseur in Deutschland entschied Hünnecke sich damit gegen das bisher übliche Programm und für die Basisdienste am Haar. "Mitte der 1990er war das nicht eine Marktlücke, sondern vielmehr ein Krater." Der Friseurbesuch ohne Anmeldung sei schon vorher möglich gewesen, Selberföhnen und -frisieren jedoch nicht. "Die Kunden wollen keine aufwendige Frisuren mehr", meint Hünnecke. "Viele waschen sich doch nach dem Friseurbesuch zu Hause als erstes die Haare." Oder sie seien am nächsten Morgen gefrustet, wenn die Frisur trotz langer Föhnaktion und jeder Menge Styling-Produkte nicht sitzt.
In den Cut-and-go-Läden haben die Kunden ihr Aussehen selbst in der Hand. Das spart Frust. Vor allem aber Geld. Ob Mann, Frau oder Kind – Waschen und Schneiden ohne Voranmeldung kosten einen festen Preis. Tönung und Strähnen auch, nur für ausgefallenere Farbbehandlungen zahlen die Kunden drauf. "Eine Mischkalkulation", sagt Hünnecke. "Was bei dem einen Kunden länger dauert, sparen wir beim Nächsten wieder ein." Weil seine beiden Salons in Bremen zwischen 70 und 90 Prozent ausgelastet sind, sei das Konzept auch wirtschaftlich tragbar, erklärt Hünnecke.
Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks machte im letzten Jahr 4,5 Prozent weniger Umsatz, und die Arbeitslosigkeit unter den Friseuren steigt. Ihre Chancen sehen die traditionellen Haarkünstler "in einer aktiven Beratung, mit dem Ziel, den Kunden bislang nicht genutzte Leistungen und Produkte anzubieten", so der Verband. Umfassende Beratung biete der "headhunter" auch, sagt Hünnecke. Egal ob Kunden nun eine Radikalveränderung oder nur Styling-Tipps wünschten.
Brigitte Seekamp, Obermeisterin der Friseurinnung Bremen, vergleicht die Schnellschneider mit Imbissbuden, herkömmliche Friseure mit Gourmetrestaurants: "Viele Kunden wollen sich etwas gönnen, suchen Entspannung, wollen verwöhnt und nicht ratzfatz bedient werden." Die Cut-and-go-Läden empfindet sie daher nicht als Konkurrenz. "Das ist nur was für junge, flippige Leute", sagt Seekamp. "Szenig und unkonventionell", meint auch Dirk Kramprich vom Friseur-Zentralverband.
Dennoch springen immer mehr Friseure auf den Trendzug, bieten Cut-and-go zu bestimmten Zeiten an speziellen Tagen. "Nicht glaubwürdig", findet Hünnecke. Erst das einheitliche Konzept der rationalisierten Friseurbetriebe habe Cut-and-go zum Vormarsch verholfen. Die Werkstattatmosphäre scheint den Nerv der Zeit zu treffen: Auf das Wesentliche reduzierte Discounter wachsen trotz Wirtschaftskrise bei Umsatz und Gewinn, Geiz ist geil und Sparen neuer Volkssport.
Hünnecke weiß von derzeit 40 Cut-and-go-Geschäften in Hamburg, etwa 60 seien es in Berlin. "Haarschlachterei" heißen die Szenefriseure in der Hauptstadt, "Kaiserschnitt", "Ponyclub" oder "Vokuhila". Das Personal ist jung, die Musik laut, das Haargel quietschgelb und geraucht werden kann sowieso. Im Bremer "headhunter" zieht der Kunde eine Nummer wie früher an der Supermarkt-Fleischtheke und heute auf dem Arbeitsamt. Die Wartezeit wird am kostenlosen Internet-Computer totgeschlagen, Milchkaffee, Bier und Afri-Cola kosten extra.
Schnellfriseur Hünnecke sagt, der Markt sei noch nicht übersättigt. Sein Prinzip mache schließlich dem Schwarzmarkt den Garaus: "Wer sich früher seinen Haarschnitt für wenig Geld privat besorgte, geht jetzt zu einem Cut-and-go-Friseur." Rund 1,3 Millionen Euro haben die drei Geschäfte in Bremen und Berlin im letzten Jahr abgeworfen, sagt Hünnecke. Die Filiale in Berlin hat er jedoch vor kurzem an einen Lizenz-Nehmer verkauft. Auch geplante Läden sollen nur noch im Franchise-System laufen. Allerdings will Hünnecke bald mit einem neuen Geschäfts-Konzept auf die Jagd nach Kundenköpfen gehen. "In unserer Branche fressen nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen."
Daniela Schröder (6/2003)
(Quelle: tachauch)
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