Samstag, 28. August 2004
Vom Friseur der Stars zum Starfriseur
figaro, 01:11h
Hanseatische Lebensart: Im Gespräch mit Gerhard Meir, Promifriseur, Kolumnist und Buchautor
von Deborah Knür
Seine Stimme dröhnt durch den hinteren Teil des Salons. Nicht barsch, aber fordernd. Keinen Aufschub duldend. Und Widerspruch schon gar nicht. Ein Despot ist Gerhard Meir trotzdem nicht. Kein bisserl, wie er sagen würde. Charmant vielmehr, das schätzen seine Kundinnen neben seinen Schnittkünsten vielleicht am meisten.
Meir ist ein Phänomen. Auch wenn Gloria ihm noch heute nachhängt, mit der er Ende der Siebziger gemeinsam durch die Discos zog, und deren Turmfrisur ihn einst zum Promifigaro avancieren ließ - längst ist der 58-Jährige über den Status des Münchner Bussi-Friseurs hinausgewachsen. Der Star-Coiffeur ist selbst zum Star geworden, zu einem ernst zu nehmenden, wohl gemerkt.
Die einschlägigen Hochglanzblätter liefern allwöchentlich die Beweise in gedruckter Form. Obwohl er sich schon seit geraumer Zeit auf Partys rar gemacht hat ("Ich gehe nicht mehr auf jede Telefonzelleneröffnung"), hat er dennoch eine dauerhafte mediale Präsenz. Denn Meir wird um seine Meinung gebeten. Nicht nur zur Haarfarbe des Kanzlers.
"Wissen Sie, ich habe gelernt..., ich bin gestern aus Heiligendamm zurückgekommen und war davor in Zürich und dann der Reemtsma-Treff..., das sind doch sowieso immer die Leute, die ich überall sehe", sagt er in einem Tempo, das atemberaubend wie legendär ist. Seine Gedanken springen, die Sätze ebenso wie seine Ideen, ein scheinbares kreatives Chaos, das sich am Ende doch wie von Zauberhand zur Einheit fügt. Zum Medientreff ist er dann übrigens tatsächlich nicht mehr hingegangen.
"Ich bin mit Leib und Seele Friseur", sagt er, und man glaubt ihm, was anderswo nach PR-Floskel klingt. Und ohne Atempause weiter: "Partys sind für mich schon lange nicht mehr das Wichtigste, ich habe jetzt eine super Privatbeziehung, so einen Private-Point, den gab es früher nie so richtig,... wir waren immer das Party-Couple,... vor fünf, sechs Jahren war ich auf allen Premieren, wo man gesehen wurde, das ist jetzt anders, jetzt sind Kunst und Kultur wirklich wichtig..." Und dann doch eine Atempause.
Hamburg hat ihn geprägt. Die hanseatische Mentalität vielleicht. Denn der Wandel kam auch mit dem Bezug der Wahlheimat Hamburg. Aber diese Liebe musste wachsen. "Am Anfang, vor 13 Jahren, hab' ich gedacht, ich werd wahnsinnig", sagt er und schmunzelt, "keiner unterwegs, alle bleiben zu Hause, hab' ich gedacht, bis ich begriffen habe, dass ein Essen mit acht Leuten viel mehr Emotionen hat". Die Münchner habe diese neue Erkenntnis am Anfang konsterniert. Aber München ist sowieso ein Thema für sich. Der ewige Konkurrent. Und dann die Sonnentage in diesem Jahr. Er sagt's nicht ohne Schadenfreude: "Acht mehr in Hamburg in diesem Sommer."
Zehn Jahre hat er seinen Salon im Atlantic gehabt, seit vergangenem Jahr residiert Le Coup im neuen Lifestyle-Haus am Mittelweg. Neben Clarins und über Kröncke Interior. Styling und Einrichtung. Eine Mischung, die Meir immer mehr auch in seinem Salon vereint. Neben der Bühne, auf der er mit Einrichterin Julia Korzilius Wohnideen wie szenische Bilder inszeniert, präsentiert er jetzt auch eine umfangreiche Buchauswahl. An vorderster Front des großen Tisches natürlich seine eigenen.
"Der Salon" und "Erzähl mir alles" sind die zwei Romane, die im kommenden Jahr verfilmt werden sollen, und der dritte ist bereits in Arbeit. "Es war einmal" ist der Arbeitstitel. Um Kunst und Kultur, um das eben, was in Meirs Leben jetzt so wichtig geworden ist, soll es gehen, um einen Boxkampf und einen Konzert-Impresario. Eine wilde Mixtur mit viel Fantasie und so manchem charmanten Seitenhieb, der ihm auch in seinen Kolumnen einen Heidenspaß bereitet, aber bei Meir nie unter die Gürtellinie geht. Was ihn auf andere prominente Autorenkollegen bringt. "Bohlen, Verona, das is' doch alles zu viel... diese Ammer-Gesellschaft...", sinniert er, obwohl Bohlen auf dem Weg zum Liebling der Nation gewesen sei, und er sein Marketingkonzept "sensationell" finde. "Aber die eigentliche Gesellschaft - der Vorhang vor ihr war in Hamburg schon immer dick, und jetzt ist er noch dicker."
Im nächsten Moment ist er aufgesprungen von dem Designerstuhl, eilt zu einer Kundin, die ihre frisch geschnittene schulterlange Haarpracht gerade mit einer Haarklammer hochstecken will. "Aufmachen", ruft er im Anflug, "aufmachen." Greift zur Schere und schneidet nach. Im Stehen. Ein gnadenloser Perfektionist.
"Und ein strenger Pedant", sagt er, setzt sich wieder und lächelt entschuldigend. Sachen einfach hinschmeißen, das gebe es auch zu Hause gar nicht. Da könne er richtig zickig werden. Die Disziplin ist ihm anerzogen. Der berühmte Schuss Lässigkeit, der auch seinen Stil ausmacht, gleicht vieles wieder aus. "Und die Kreativität", sagt er und wirbelt durch seine eigenen Haare.
Er braucht das. Dass immer etwas los ist. Das Pendeln zwischen Hamburg und München, wo er von mittwochs bis freitags ist. Er ist Stammgast in der 6.25 Uhr-Maschine. Freitagabend zurück. Seit zwölf Jahren macht er das, Gewohnheitssache. Der Ruhepool ist seine Wohnung, wo er Musik hört oder Freunde zum Essen einlädt, aber ungern telefoniert.
Und dabei könnte er sich, wie andere das schon lange tun, mehr um andere Dinge wie Marketing kümmern. Tut er aber nicht. "Schuster, bleib bei deinen Leisten, sag' ich immer", sagt er und schneidet weiter. Und zwar bei jedem. Egal, ob prominent oder nicht. Respekt vor den Kunden sei das. "Die zahlen schließlich dafür." Erstaunt sei da manche am Anfang in Hamburg gewesen, erzählt er, dass Meir bei ihr tatsächlich selbst zur Schere greife. Er braucht das, die Hektik, die Aktivität, das Selbermachen, ein bisschen Bodenständigkeit. Wie mit dem Licht. "Das muss ich manchmal selbst anmachen, dann weiß ich, dass der Laden meiner ist."
(Quelle: www.diewelt.de)
von Deborah Knür
Seine Stimme dröhnt durch den hinteren Teil des Salons. Nicht barsch, aber fordernd. Keinen Aufschub duldend. Und Widerspruch schon gar nicht. Ein Despot ist Gerhard Meir trotzdem nicht. Kein bisserl, wie er sagen würde. Charmant vielmehr, das schätzen seine Kundinnen neben seinen Schnittkünsten vielleicht am meisten.
Meir ist ein Phänomen. Auch wenn Gloria ihm noch heute nachhängt, mit der er Ende der Siebziger gemeinsam durch die Discos zog, und deren Turmfrisur ihn einst zum Promifigaro avancieren ließ - längst ist der 58-Jährige über den Status des Münchner Bussi-Friseurs hinausgewachsen. Der Star-Coiffeur ist selbst zum Star geworden, zu einem ernst zu nehmenden, wohl gemerkt.
Die einschlägigen Hochglanzblätter liefern allwöchentlich die Beweise in gedruckter Form. Obwohl er sich schon seit geraumer Zeit auf Partys rar gemacht hat ("Ich gehe nicht mehr auf jede Telefonzelleneröffnung"), hat er dennoch eine dauerhafte mediale Präsenz. Denn Meir wird um seine Meinung gebeten. Nicht nur zur Haarfarbe des Kanzlers.
"Wissen Sie, ich habe gelernt..., ich bin gestern aus Heiligendamm zurückgekommen und war davor in Zürich und dann der Reemtsma-Treff..., das sind doch sowieso immer die Leute, die ich überall sehe", sagt er in einem Tempo, das atemberaubend wie legendär ist. Seine Gedanken springen, die Sätze ebenso wie seine Ideen, ein scheinbares kreatives Chaos, das sich am Ende doch wie von Zauberhand zur Einheit fügt. Zum Medientreff ist er dann übrigens tatsächlich nicht mehr hingegangen.
"Ich bin mit Leib und Seele Friseur", sagt er, und man glaubt ihm, was anderswo nach PR-Floskel klingt. Und ohne Atempause weiter: "Partys sind für mich schon lange nicht mehr das Wichtigste, ich habe jetzt eine super Privatbeziehung, so einen Private-Point, den gab es früher nie so richtig,... wir waren immer das Party-Couple,... vor fünf, sechs Jahren war ich auf allen Premieren, wo man gesehen wurde, das ist jetzt anders, jetzt sind Kunst und Kultur wirklich wichtig..." Und dann doch eine Atempause.
Hamburg hat ihn geprägt. Die hanseatische Mentalität vielleicht. Denn der Wandel kam auch mit dem Bezug der Wahlheimat Hamburg. Aber diese Liebe musste wachsen. "Am Anfang, vor 13 Jahren, hab' ich gedacht, ich werd wahnsinnig", sagt er und schmunzelt, "keiner unterwegs, alle bleiben zu Hause, hab' ich gedacht, bis ich begriffen habe, dass ein Essen mit acht Leuten viel mehr Emotionen hat". Die Münchner habe diese neue Erkenntnis am Anfang konsterniert. Aber München ist sowieso ein Thema für sich. Der ewige Konkurrent. Und dann die Sonnentage in diesem Jahr. Er sagt's nicht ohne Schadenfreude: "Acht mehr in Hamburg in diesem Sommer."
Zehn Jahre hat er seinen Salon im Atlantic gehabt, seit vergangenem Jahr residiert Le Coup im neuen Lifestyle-Haus am Mittelweg. Neben Clarins und über Kröncke Interior. Styling und Einrichtung. Eine Mischung, die Meir immer mehr auch in seinem Salon vereint. Neben der Bühne, auf der er mit Einrichterin Julia Korzilius Wohnideen wie szenische Bilder inszeniert, präsentiert er jetzt auch eine umfangreiche Buchauswahl. An vorderster Front des großen Tisches natürlich seine eigenen.
"Der Salon" und "Erzähl mir alles" sind die zwei Romane, die im kommenden Jahr verfilmt werden sollen, und der dritte ist bereits in Arbeit. "Es war einmal" ist der Arbeitstitel. Um Kunst und Kultur, um das eben, was in Meirs Leben jetzt so wichtig geworden ist, soll es gehen, um einen Boxkampf und einen Konzert-Impresario. Eine wilde Mixtur mit viel Fantasie und so manchem charmanten Seitenhieb, der ihm auch in seinen Kolumnen einen Heidenspaß bereitet, aber bei Meir nie unter die Gürtellinie geht. Was ihn auf andere prominente Autorenkollegen bringt. "Bohlen, Verona, das is' doch alles zu viel... diese Ammer-Gesellschaft...", sinniert er, obwohl Bohlen auf dem Weg zum Liebling der Nation gewesen sei, und er sein Marketingkonzept "sensationell" finde. "Aber die eigentliche Gesellschaft - der Vorhang vor ihr war in Hamburg schon immer dick, und jetzt ist er noch dicker."
Im nächsten Moment ist er aufgesprungen von dem Designerstuhl, eilt zu einer Kundin, die ihre frisch geschnittene schulterlange Haarpracht gerade mit einer Haarklammer hochstecken will. "Aufmachen", ruft er im Anflug, "aufmachen." Greift zur Schere und schneidet nach. Im Stehen. Ein gnadenloser Perfektionist.
"Und ein strenger Pedant", sagt er, setzt sich wieder und lächelt entschuldigend. Sachen einfach hinschmeißen, das gebe es auch zu Hause gar nicht. Da könne er richtig zickig werden. Die Disziplin ist ihm anerzogen. Der berühmte Schuss Lässigkeit, der auch seinen Stil ausmacht, gleicht vieles wieder aus. "Und die Kreativität", sagt er und wirbelt durch seine eigenen Haare.
Er braucht das. Dass immer etwas los ist. Das Pendeln zwischen Hamburg und München, wo er von mittwochs bis freitags ist. Er ist Stammgast in der 6.25 Uhr-Maschine. Freitagabend zurück. Seit zwölf Jahren macht er das, Gewohnheitssache. Der Ruhepool ist seine Wohnung, wo er Musik hört oder Freunde zum Essen einlädt, aber ungern telefoniert.
Und dabei könnte er sich, wie andere das schon lange tun, mehr um andere Dinge wie Marketing kümmern. Tut er aber nicht. "Schuster, bleib bei deinen Leisten, sag' ich immer", sagt er und schneidet weiter. Und zwar bei jedem. Egal, ob prominent oder nicht. Respekt vor den Kunden sei das. "Die zahlen schließlich dafür." Erstaunt sei da manche am Anfang in Hamburg gewesen, erzählt er, dass Meir bei ihr tatsächlich selbst zur Schere greife. Er braucht das, die Hektik, die Aktivität, das Selbermachen, ein bisschen Bodenständigkeit. Wie mit dem Licht. "Das muss ich manchmal selbst anmachen, dann weiß ich, dass der Laden meiner ist."
(Quelle: www.diewelt.de)
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