Sonntag, 29. Oktober 2006
Friseurnamen: Vom Selbstverständnis des Friseurs
figaro, 12:56h
Eine Typologie aus dem Telefonbuch
von Jens Gerdes
Der eine Friseur geht dem Handwerk des Haareschneidens nach. Der andere hält sich für einen kreativen Künstler, der die Grenze zwischen dem zivilisierten Menschen und seiner ungebändigten Natur kultiviert. Ob bewusst oder unbewusst – jeder Friseur positioniert sich irgendwo zwischen diesen beiden Polen. Und das spiegelt sich insbesondere auch sprachlich wider – in den Benennungen der jeweiligen Friseursalons. Das Branchentelefonbuch von Berlin listet 1324 Namen auf. Und offenbart dabei interessante Namensbildungsmuster ...
Namenskategorie „betont bodenständig-bieder“:
Namen dieser Kategorie vermitteln dezent leutselige Gemütlichkeit. Das Fönlädchen (1) sei hier exemplarisch genannt, oder der Klatsch und Tratsch Familienfriseur. Noch familiärer wird es natürlich in Kombination mit einem Eigennamen, wie Petra’s Lockenstübchen, Walter’s Herrensalonund Franks Lockenstube beweisen. Und auch ein Nachname wird da nicht als distanzierend empfunden, als Beleg kann das Schnippelstübchen Holländer dienen. Es darf in dieser Kategorie sogar ruhig ein wenig frecher zugehen. Dabei gilt es allerdings unbedingt, den gediegenen äußeren Rahmen unangetastet zu lassen – wie in Molly’s Struppelshop.
Namen mit kosmopolitischem Anstrich:
Die Frage, ob man jede Mode mitmachen muss, stellt sich so manchem Friseur naturgemäß nicht. Das Stereotyp verbindet dabei traditionell Frankreich mit dem superben Chic in der Haute Coiffure, heute wird dagegen oft eher anglophonen Tönen zugetraut, die hippen Styles und Trends zu transportieren. Das spiegelt sich selbstverständlich auch in den Benennungen wider: Der Salon La Belle, der Coiffeur Creativ und La Finesse konkurrieren hier mit Trend Cut Friseur, Hair Globe, Modern Style und Super Cut. Diese Modewelt-Klischees provozieren gelegentlich ironische Konter. Etwa bei dem Friseur, dessen Firmenschild auf Fürstliches Palais GbR lautet.
Primär phonetisch motivierte Namensgebung:
Es ist eine abgedroschene Werbeweisheit: Je einprägsamer ein Name, desto besser fürs Geschäft. Die Phonetik ist da natürlich entscheidend. Das Spektrum beginnt deshalb bei säuselnd-becircend wie in Salon Sichtbare Schönheit. Wiederkehrendes Muster sind harmonische Gleichklänge wie in Hair Affair oder Hair Flair. Namen wie Haar Alarm deluxe oder Haarscharf in Hermsdorf tendieren zum anderen Ende der Skala, an dem es sich schon mal zackig wie ein Taschenkamm anhören darf. Einen klangvollendenden Beleg bietet der Friseur Hauptstadtschnitt Haarfreunde Berlins.
Namenskategorie „nicht viel Aufhebens machen“:
Bei so viel nämlicher Effekthascherei gibt es natürlich auch Gegentendenzen. Angenehmes Understatement zeichnet etwa Just Hair aus, und von einer bewussten Reduktion auf das Wesentliche zeugt auch der Name So Pure Friseur. Ein deutsches Beispiel schlichter Programmatik: Kamm & Schere. Oder, noch schlichter: Haare ab!
Amalgamierungen:
Sicherlich auch phonetisch motiviert, zu einem gewichtigeren Anteil allerdings auf der Verschmelzung zweier semantischer Konzepte beruhend, sind die zahlreichen innovativen Amalgamierungen unter den Friseurnamen. Zentrales Topos ist dabei im weitesten Sinne das semantische Feld der natürlichen Kopfbedeckung, gerne kontaminiert mit einem fremdsprachlichen Element für den Hauch von Exotik: HAIRlich, Haarwaii, Delicut, Hairmony, Hairport, Unicut, Locke n’Roll, Haarlekin, der Haarem-Friseur und Funthaarsia sind prototypische Vertreter. Auch mit nativem Sprachmaterial lässt sich leicht dieser vertrautheitsbrechende Effekt erzielen, wie in Haarmonie und Haareszeiten deutlich wird. Fachtermini eignen sich prinzipiell ebenfalls als Ausgangsmaterial, wobei die Verballhornung einer alltagssprachlich etablierten Fachbezeichnung wie in Haar 2 O wahrscheinlich problemlos verstanden wird, wohingegen ein Name wie Hairoxyd die Kenntnis der Bezeichnung des gängigsten aller Haarbleichmittel, nämlich Wasserstoffperoxyd, kurz: Peroxyd, voraussetzt. Das crehaartiv-studio dagegen erschließt sich wieder automatisch, und einem kontaminierten Phraseologismus wie Hin & Hair gelingt sogar ein sinnvoller Moduswechsel, kann er doch nach der Kontamination als elliptischer Imperativ durchgehen. Die Erzeugung von deiktischen Ausdrücken kann ein ganz individuelles Lokalkolorit erzeugen: Nur in Berlin funktioniert zum Beispiel ein Name wie Haarspree.
Reanalyse von lexikalisierten Wortbildungen:
Die prinzipielle Ambiguität deutscher Komposita bietet viel Spielraum für originelle Neuinterpretationen. HauptSache, Farbecht, Haarscharf und Haargenau sind Beispiele für Lesarten, in denen eine Konstituente wörtlicher als gewöhnlich genommen wird und der Name somit eine ungebräuchliche Bedeutung erhält. Das Salonlöwe Friseurgeschäft verdankt seine Benennung den gleichen Regeln, und auch Phraseologismen können auf diese Art uminterpretiert zu Namen werden wie etwa Über Kurz oder Lang. Ähnlich wird der Phraseologismus „mit Haut und Haar(en)“ dekomponiert, um dann in seinen Einzelbestandteilen wörtlich genommen ein Kosmetikstudio mit Friseursalon zu bezeichnen: Haut & Haar. Assimilierte Anglizismen, zum Beispiel Headline, sind vor einer Neuinterpretation ebenso wenig sicher wie biologische Fachbezeichnungen der Alltagssprache, etwa Cox Orange. Gleiches gilt für die Läden Schnittpunkt, Schnittstelle und Schnittkante sowie ganz besonders für die launige Neubedeutung von Kaiserschnitt. So simpel wie komplex ist ein anderes Beispiel: Als Dienstleistungsbezeichnung hat sich-„cut & go“ auch im Deutschen etabliert. Ein Friseursalon nahm das wörtlich, befand es für nicht gut – und nennt sich stattdessen Cut & Comeback. Gelegentlich scheint es sogar, als wären neu entstehende Mehrdeutigkeiten dabei explizit gewollt, etwa in Hair Feelings. Denn es mag ja sein, dass dieser Friseur für sich ein besonderes Sensorium für Haare reklamieren möchte – Haare selbst, und so lässt sich dieser Name eben auch als Oxymoron interpretieren, gehören aber bekanntlich zur weniger feinfühligen Ausstattung des Menschen, denn sonst ginge wohl kaum jemand freiwillig zum Friseur. Analog ist ein Zahnarzt, der seine Praxis „Teeth Feelings“ nennt, wohl kaum vorstellbar ...
Das leitet über zu den wohl komplexesten Benennungen: Metaphern, Chiffren und Allegorien aller Art. Assoziationsspielereien: Eine mittelalterliche Auffassung von Humor erklärt diesen als die Fähigkeit, Ähnlichkeit im Entfernten zu entdecken. Je weiter ein Name für einen Friseursalon also in die Untiefen menschlicher Assoziationsfähigkeit abtaucht, desto größer ist demnach potenziell sein Esprit: Als gelungen in diesem Sinne darf wohl der Name Salon „DNA“ gelten. Den Witz zu erklären, hieße hier, ihn zu zerstören. In einem anderen Fall liegen unmöglich“ und „widersinnig“ ganz nahe beieinander: Einen Namen von geradezu subtiler Brachialiät trägt der Friseursalon Haarschlächterei in Kreuzberg. Gewollt ambig sind auch Brainworker und Intensivstation. Aus dem Assoziationsbereich „Wellenkamm“ stammen der Name des Modern Wave Friseursalon und, ins Groteske übersteigert, der Friseur Tsunami. Einen interessanten Fall stellt der Salon Vokuhila dar. Strukturell handelt es sich um ein Abbreviationswort („vorn kurz, hinten lang“). Als solches ist es mit stark pejorativer Bedeutung in der Jugendsprache lexikalisiert und zur Chiffre für besondere Peinlichkeit und „Prolligkeit“ geronnen, woraus sich hier die intendierte Ironie speist.
Der literarische Verweis:
Vieldeutig in seinen Anspielungen ist der Name Mecki Messer: Den Mecki-Schnitt kennt jeder. Und die Figur „Mackie Messer“ aus Brechts Dreigroschenoper sollte gerade in Berlin auch nicht ganz unbekannt sein. Je nach Beschlagenheit werden dem Berliner also verschiedene Gründe einleuchten, warum ein Friseur am Ort solch einen Namen trägt. Der Name Narziß für einen Friseursalon ist den meisten Menschen da schon eher unmittelbar verständlich. Ein wenig profundere klassische Bildung ist dagegen Voraussetzung zum Verständnis des Namens Friseur Medusa. Und auf sehr subtile Art scheidet Fön-X die Geister: Der eine denkt hier an mythologische Feuervögel, der andere nur an heiße Luft. Herzlich gelacht hätten die Gebrüder Grimm bestimmt über den Friseurnamen Rapunzel. Dagegen ist der Witz des Friseurnamens Tristan um einiges flacher, als zu erwarten: Um ihn zu verstehen, genügt schon die bloße Berücksichtigung der Adresse. Der Laden befindet sich in der Isoldestraße...
Spielerische Volksetymologie: Der Salon Haar-Dressur stellt ein Beispiel dafür dar, dass das leicht sinnverdrehende Prinzip der Volksetymologie als phonetisch motivierte Übersetzung auch mit humoristischer Intention vollzogen werden kann. Zu vermuten ist jedenfalls, dass hier die englische Berufsbezeichnung „hairdresser“ als Vorbild gedient hat.
Schließlich:
Drei Beispiele akzidenteller Namenskomik sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Der Friseurberuf dürfte sich den folgenden Personen wohl geradezu aufgedrängt haben:
1. Ferber, Matthias (Panketal)
2. Klingbeil, Carsten (Schöneberg)
3. Scherer, Monika (Prenzlauer Berg).
Anmerkungen
1 Sämtliche fett gedruckten Einheiten in diesem Text sind vollständig und unverändert aus dem Telefonbuch übernommene Namen von Friseurläden in Berlin. Dies gilt insbesondere auch für idiosynkratische Schreibweisen, eigenwillige Apostrophierungen und dergleichen.
Der Autor ist studentische Hilfskraft am Institut für Deutsche
Sprache in Mannheim.
Download als PDF ...
Quelle: Institut für deutsche Sprache, www.ids-mannhheim.de
von Jens Gerdes
Der eine Friseur geht dem Handwerk des Haareschneidens nach. Der andere hält sich für einen kreativen Künstler, der die Grenze zwischen dem zivilisierten Menschen und seiner ungebändigten Natur kultiviert. Ob bewusst oder unbewusst – jeder Friseur positioniert sich irgendwo zwischen diesen beiden Polen. Und das spiegelt sich insbesondere auch sprachlich wider – in den Benennungen der jeweiligen Friseursalons. Das Branchentelefonbuch von Berlin listet 1324 Namen auf. Und offenbart dabei interessante Namensbildungsmuster ...
Namenskategorie „betont bodenständig-bieder“:
Namen dieser Kategorie vermitteln dezent leutselige Gemütlichkeit. Das Fönlädchen (1) sei hier exemplarisch genannt, oder der Klatsch und Tratsch Familienfriseur. Noch familiärer wird es natürlich in Kombination mit einem Eigennamen, wie Petra’s Lockenstübchen, Walter’s Herrensalonund Franks Lockenstube beweisen. Und auch ein Nachname wird da nicht als distanzierend empfunden, als Beleg kann das Schnippelstübchen Holländer dienen. Es darf in dieser Kategorie sogar ruhig ein wenig frecher zugehen. Dabei gilt es allerdings unbedingt, den gediegenen äußeren Rahmen unangetastet zu lassen – wie in Molly’s Struppelshop.
Namen mit kosmopolitischem Anstrich:
Die Frage, ob man jede Mode mitmachen muss, stellt sich so manchem Friseur naturgemäß nicht. Das Stereotyp verbindet dabei traditionell Frankreich mit dem superben Chic in der Haute Coiffure, heute wird dagegen oft eher anglophonen Tönen zugetraut, die hippen Styles und Trends zu transportieren. Das spiegelt sich selbstverständlich auch in den Benennungen wider: Der Salon La Belle, der Coiffeur Creativ und La Finesse konkurrieren hier mit Trend Cut Friseur, Hair Globe, Modern Style und Super Cut. Diese Modewelt-Klischees provozieren gelegentlich ironische Konter. Etwa bei dem Friseur, dessen Firmenschild auf Fürstliches Palais GbR lautet.
Primär phonetisch motivierte Namensgebung:
Es ist eine abgedroschene Werbeweisheit: Je einprägsamer ein Name, desto besser fürs Geschäft. Die Phonetik ist da natürlich entscheidend. Das Spektrum beginnt deshalb bei säuselnd-becircend wie in Salon Sichtbare Schönheit. Wiederkehrendes Muster sind harmonische Gleichklänge wie in Hair Affair oder Hair Flair. Namen wie Haar Alarm deluxe oder Haarscharf in Hermsdorf tendieren zum anderen Ende der Skala, an dem es sich schon mal zackig wie ein Taschenkamm anhören darf. Einen klangvollendenden Beleg bietet der Friseur Hauptstadtschnitt Haarfreunde Berlins.
Namenskategorie „nicht viel Aufhebens machen“:
Bei so viel nämlicher Effekthascherei gibt es natürlich auch Gegentendenzen. Angenehmes Understatement zeichnet etwa Just Hair aus, und von einer bewussten Reduktion auf das Wesentliche zeugt auch der Name So Pure Friseur. Ein deutsches Beispiel schlichter Programmatik: Kamm & Schere. Oder, noch schlichter: Haare ab!
Amalgamierungen:
Sicherlich auch phonetisch motiviert, zu einem gewichtigeren Anteil allerdings auf der Verschmelzung zweier semantischer Konzepte beruhend, sind die zahlreichen innovativen Amalgamierungen unter den Friseurnamen. Zentrales Topos ist dabei im weitesten Sinne das semantische Feld der natürlichen Kopfbedeckung, gerne kontaminiert mit einem fremdsprachlichen Element für den Hauch von Exotik: HAIRlich, Haarwaii, Delicut, Hairmony, Hairport, Unicut, Locke n’Roll, Haarlekin, der Haarem-Friseur und Funthaarsia sind prototypische Vertreter. Auch mit nativem Sprachmaterial lässt sich leicht dieser vertrautheitsbrechende Effekt erzielen, wie in Haarmonie und Haareszeiten deutlich wird. Fachtermini eignen sich prinzipiell ebenfalls als Ausgangsmaterial, wobei die Verballhornung einer alltagssprachlich etablierten Fachbezeichnung wie in Haar 2 O wahrscheinlich problemlos verstanden wird, wohingegen ein Name wie Hairoxyd die Kenntnis der Bezeichnung des gängigsten aller Haarbleichmittel, nämlich Wasserstoffperoxyd, kurz: Peroxyd, voraussetzt. Das crehaartiv-studio dagegen erschließt sich wieder automatisch, und einem kontaminierten Phraseologismus wie Hin & Hair gelingt sogar ein sinnvoller Moduswechsel, kann er doch nach der Kontamination als elliptischer Imperativ durchgehen. Die Erzeugung von deiktischen Ausdrücken kann ein ganz individuelles Lokalkolorit erzeugen: Nur in Berlin funktioniert zum Beispiel ein Name wie Haarspree.
Reanalyse von lexikalisierten Wortbildungen:
Die prinzipielle Ambiguität deutscher Komposita bietet viel Spielraum für originelle Neuinterpretationen. HauptSache, Farbecht, Haarscharf und Haargenau sind Beispiele für Lesarten, in denen eine Konstituente wörtlicher als gewöhnlich genommen wird und der Name somit eine ungebräuchliche Bedeutung erhält. Das Salonlöwe Friseurgeschäft verdankt seine Benennung den gleichen Regeln, und auch Phraseologismen können auf diese Art uminterpretiert zu Namen werden wie etwa Über Kurz oder Lang. Ähnlich wird der Phraseologismus „mit Haut und Haar(en)“ dekomponiert, um dann in seinen Einzelbestandteilen wörtlich genommen ein Kosmetikstudio mit Friseursalon zu bezeichnen: Haut & Haar. Assimilierte Anglizismen, zum Beispiel Headline, sind vor einer Neuinterpretation ebenso wenig sicher wie biologische Fachbezeichnungen der Alltagssprache, etwa Cox Orange. Gleiches gilt für die Läden Schnittpunkt, Schnittstelle und Schnittkante sowie ganz besonders für die launige Neubedeutung von Kaiserschnitt. So simpel wie komplex ist ein anderes Beispiel: Als Dienstleistungsbezeichnung hat sich-„cut & go“ auch im Deutschen etabliert. Ein Friseursalon nahm das wörtlich, befand es für nicht gut – und nennt sich stattdessen Cut & Comeback. Gelegentlich scheint es sogar, als wären neu entstehende Mehrdeutigkeiten dabei explizit gewollt, etwa in Hair Feelings. Denn es mag ja sein, dass dieser Friseur für sich ein besonderes Sensorium für Haare reklamieren möchte – Haare selbst, und so lässt sich dieser Name eben auch als Oxymoron interpretieren, gehören aber bekanntlich zur weniger feinfühligen Ausstattung des Menschen, denn sonst ginge wohl kaum jemand freiwillig zum Friseur. Analog ist ein Zahnarzt, der seine Praxis „Teeth Feelings“ nennt, wohl kaum vorstellbar ...
Das leitet über zu den wohl komplexesten Benennungen: Metaphern, Chiffren und Allegorien aller Art. Assoziationsspielereien: Eine mittelalterliche Auffassung von Humor erklärt diesen als die Fähigkeit, Ähnlichkeit im Entfernten zu entdecken. Je weiter ein Name für einen Friseursalon also in die Untiefen menschlicher Assoziationsfähigkeit abtaucht, desto größer ist demnach potenziell sein Esprit: Als gelungen in diesem Sinne darf wohl der Name Salon „DNA“ gelten. Den Witz zu erklären, hieße hier, ihn zu zerstören. In einem anderen Fall liegen unmöglich“ und „widersinnig“ ganz nahe beieinander: Einen Namen von geradezu subtiler Brachialiät trägt der Friseursalon Haarschlächterei in Kreuzberg. Gewollt ambig sind auch Brainworker und Intensivstation. Aus dem Assoziationsbereich „Wellenkamm“ stammen der Name des Modern Wave Friseursalon und, ins Groteske übersteigert, der Friseur Tsunami. Einen interessanten Fall stellt der Salon Vokuhila dar. Strukturell handelt es sich um ein Abbreviationswort („vorn kurz, hinten lang“). Als solches ist es mit stark pejorativer Bedeutung in der Jugendsprache lexikalisiert und zur Chiffre für besondere Peinlichkeit und „Prolligkeit“ geronnen, woraus sich hier die intendierte Ironie speist.
Der literarische Verweis:
Vieldeutig in seinen Anspielungen ist der Name Mecki Messer: Den Mecki-Schnitt kennt jeder. Und die Figur „Mackie Messer“ aus Brechts Dreigroschenoper sollte gerade in Berlin auch nicht ganz unbekannt sein. Je nach Beschlagenheit werden dem Berliner also verschiedene Gründe einleuchten, warum ein Friseur am Ort solch einen Namen trägt. Der Name Narziß für einen Friseursalon ist den meisten Menschen da schon eher unmittelbar verständlich. Ein wenig profundere klassische Bildung ist dagegen Voraussetzung zum Verständnis des Namens Friseur Medusa. Und auf sehr subtile Art scheidet Fön-X die Geister: Der eine denkt hier an mythologische Feuervögel, der andere nur an heiße Luft. Herzlich gelacht hätten die Gebrüder Grimm bestimmt über den Friseurnamen Rapunzel. Dagegen ist der Witz des Friseurnamens Tristan um einiges flacher, als zu erwarten: Um ihn zu verstehen, genügt schon die bloße Berücksichtigung der Adresse. Der Laden befindet sich in der Isoldestraße...
Spielerische Volksetymologie: Der Salon Haar-Dressur stellt ein Beispiel dafür dar, dass das leicht sinnverdrehende Prinzip der Volksetymologie als phonetisch motivierte Übersetzung auch mit humoristischer Intention vollzogen werden kann. Zu vermuten ist jedenfalls, dass hier die englische Berufsbezeichnung „hairdresser“ als Vorbild gedient hat.
Schließlich:
Drei Beispiele akzidenteller Namenskomik sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Der Friseurberuf dürfte sich den folgenden Personen wohl geradezu aufgedrängt haben:
1. Ferber, Matthias (Panketal)
2. Klingbeil, Carsten (Schöneberg)
3. Scherer, Monika (Prenzlauer Berg).
Anmerkungen
1 Sämtliche fett gedruckten Einheiten in diesem Text sind vollständig und unverändert aus dem Telefonbuch übernommene Namen von Friseurläden in Berlin. Dies gilt insbesondere auch für idiosynkratische Schreibweisen, eigenwillige Apostrophierungen und dergleichen.
Der Autor ist studentische Hilfskraft am Institut für Deutsche
Sprache in Mannheim.
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Quelle: Institut für deutsche Sprache, www.ids-mannhheim.de
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