Dienstag, 7. November 2006
Friseurhandwerk - gut & billig?
figaro, 08:41h
Friseurhandwerk - gut & billig?
Der Trend zur Discount-Dienstleistung hat auch das Friseurhandwerk voll erfasst. Immer mehr so genannte Billigfriseure drängen in den Markt des traditionellen Friseurhandwerks. „Preiswert und schnell“ lautet das Erfolgskonzept der Discounter-Salons, das die Kunden, insbesondere bis 25 Jahre, offenbar anspricht. Die Filialen von der Kette „UNISEX“ oder die „Hair-Factory“ locken mit niedrigen Preisen. Einen Haarschnitt gibt es dort schon ab 10,00 Euro, während es im Friseursalon um die Ecke für Damen erst bei 33,20 Euro losgeht. Die Branche reagiert mit Skepsis auf den Haarschnitt zum Schnäppchenpreis.
Pluspunkte für die Kunden neben dem Preis: lange Öffnungszeiten und geringe Wartezeit. „Ohne Voranmeldung, also einfach kommen, hinsetzen, bedient werden“, wirbt „Coiffeur Lauschke, der neben einem traditionellen Friseurgeschäft mit der „Hair-Factory“ auch eine preiswertere Alternative anbietet.
Ist das beim Normalfriseur anders? „Irgendjemand ist immer frei“, winkt Sarah Klein vom Haarstudio Klein ab. Sie sei zwar etwas überrascht, dass diese Billigsalons auf Anhieb so gut angenommen werden, beklage aber im Hinblick auf ihr Geschäft keinen dauerhaften Kundenrückgang. In ihrem Betrieb, den schon ihre Mutter geführt hat, lege man eben viel Wert auf kompetentes und im Umgang mit Kunden geschultes Personal.
Alexandra Kaske-Diekmann, Obermeisterin der Friseur-Innung Kassel, weiß, dass die Billigsalons kritisch gesehen werden. Die Reaktion der Branche beschreibt sie als eine Mischung von Aufschrei und Verwunderung. Viele Friseure fragen sich, warum die Dienstleistungen so günstig angeboten werden können. Wie kann eine derart preiswerte Kalkulation wirtschaftlich überhaupt aufgehen?
Anders rechnen die Friseurketten. „Die Masse macht’s“, sagt Lauschke. Sie kalkulieren für bis zu 70 Filialen und haben dadurch Vorteile beim Produkteinkauf. Außerdem bieten „Filialen in Deutschland verteilt immer einen schnellen Trendaustausch“, sagt Marcel, Mitarbeiter der UNISEX Filiale in Kassel.
Für Klein ist der Preis von 10 Euro nur Slogan um Kunden zu locken, denn „schlussendlich müssen die Leute häufig mehr bezahlen als sie einkalkuliert haben“. Zusatzleistungen zum Haarschnitt werden berechnet. Das geht schon beim Waschen und Föhnen los. Beide Leistungen sind meist im Schnäppchenpreis nicht inbegriffen. Coiffeur Lauschke sagt dazu: „Es ist wie eine Speisekarte: 10 Euro kostet das Hauptgericht und jede weitere Beilage einen Aufschlag. Jeder sucht sich das heraus, was er gerne möchte“.
Einen kurzfristigen Kundenrückgang haben Klein und Nuria Haidari, Inhaberin des Salon Costé, bemerkt: „Manche Kunden sind zwar kurzfristig weggeblieben, dann aber meist unzufrieden vom Billigsalon wiedergekommen“, berichten sie. Diese Unzufriedenheit kann Coiffeur Lauschke von der Hair-Factory nicht verstehen. Bei ihm arbeitet nur geschultes Personal, welches sein Handwerk versteht, denn die Anforderungen an seine Angestellten sind hoch.
Ein weiterer Nachteil beim Discount-Friseur ist, dass die Vermittlung eines Wellness-Gefühls auf der Strecke bleibt, denn das in einem Raum mit vielen anderen Kunden und Friseuren zu vermitteln sei schwierig, zwischenmenschliche Qualität gehe verloren, meint Kaske-Diekmann. Zielen die Schnell-Schneider also vornehmlich auf die jüngere Kundschaft? Die Obermeisterin schränkt ein, dass die Wahl des Friseurs nicht vom Alter, sondern vom eigenen Gefühl abhängig ist, „man ist ja schließlich so jung wie man sich fühlt.“
Bei aller Kritik sieht Klein in den Ketten den Vorteil, dass die Billigsalons oft günstiger sind als Schwarzarbeiter.“ Insofern begreift sie die Discount-Friseure auch als Chance: Leute, die sich früher zu Hause schwarz die Haare schneiden ließen, könnten so „wieder den Weg zum Friseursalon finden“. „Allerdings“, schränkt Kaske-Diekmann ein, „werden die preiswerten Salons die Schwarzarbeit nicht vollkommen verdrängen können“. Marcel von UNISEX zieht den Vergleich mit illegalen Downloads aus dem Internet: „Seit dem man Musik gegen geringe Gebühren aus dem Internet legal herunterladen kann, ist die Zahl der illegalen Downloads gesunken, jedoch nicht drastisch“.
Ein weiteres „nicht zu unterschätzendes Problem“ für die Friseurbranche stellen für Kaske-Diekmann die so genannten Kleinstunternehmen dar. Also Friseure, die unterhalb einer bestimmten Umsatzgrenze liegen und daher von ihren Kunden - im Gegensatz zu dem Großteil ihrer Mitbewerber - keine Mehrwertsteuer verlangen müssen. Die Anzahl der Kleinstunternehmen hat sich stark erhöht. Momentan sind von 70.000 Friseurbetrieben in Deutschland ca. 20.000 Kleinstunternehmen.
Bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung ab dem 1. Januar 2007 äußerten sich Billigsalons wie traditionelle Salons gleich. „Auf keinen Fall erhöhen wir die Preise für die Dienstleistungen!“ widerspricht Lauschke vehement. Jedoch muss der Kunde einen höheren Preis für Pflegeprodukte erwarten.
Daten & Fakten
Mit 1.414 Betrieben stellt das Friseurhandwerk die größte Berufsgruppe im Zuständigkeitsbereich der Handwerkskammer Kassel dar. Das sind 57 Unternehmen weniger als noch vor einem halben Jahr. In Stadt und Landkreis Kassel gibt es 419 Friseurbetriebe. 112 davon sind in der Innung organisiert. Laut Statistischem Bundesamt sind die Umsätze im Friseurhandwerk seit einigen Jahren rückläufig. 2005 verbuchte man ein Minus von 1,9 Prozent. Dennoch rangiert die Branche nach wie vor auf Platz zwei der lehrlingsstärksten Handwerksberufe - so vermeldet es das Statistische Bundesamt. Im Kammerbezirk der Handwerkskammer Kassel gibt es 649 Auszubildende im Friseurhandwerk, in der Stadt Kassel 130.
Quelle: Handwerkskammer Kassel (20.10.2006)
hwk-kassel.de
Der Trend zur Discount-Dienstleistung hat auch das Friseurhandwerk voll erfasst. Immer mehr so genannte Billigfriseure drängen in den Markt des traditionellen Friseurhandwerks. „Preiswert und schnell“ lautet das Erfolgskonzept der Discounter-Salons, das die Kunden, insbesondere bis 25 Jahre, offenbar anspricht. Die Filialen von der Kette „UNISEX“ oder die „Hair-Factory“ locken mit niedrigen Preisen. Einen Haarschnitt gibt es dort schon ab 10,00 Euro, während es im Friseursalon um die Ecke für Damen erst bei 33,20 Euro losgeht. Die Branche reagiert mit Skepsis auf den Haarschnitt zum Schnäppchenpreis.
Pluspunkte für die Kunden neben dem Preis: lange Öffnungszeiten und geringe Wartezeit. „Ohne Voranmeldung, also einfach kommen, hinsetzen, bedient werden“, wirbt „Coiffeur Lauschke, der neben einem traditionellen Friseurgeschäft mit der „Hair-Factory“ auch eine preiswertere Alternative anbietet.
Ist das beim Normalfriseur anders? „Irgendjemand ist immer frei“, winkt Sarah Klein vom Haarstudio Klein ab. Sie sei zwar etwas überrascht, dass diese Billigsalons auf Anhieb so gut angenommen werden, beklage aber im Hinblick auf ihr Geschäft keinen dauerhaften Kundenrückgang. In ihrem Betrieb, den schon ihre Mutter geführt hat, lege man eben viel Wert auf kompetentes und im Umgang mit Kunden geschultes Personal.
Alexandra Kaske-Diekmann, Obermeisterin der Friseur-Innung Kassel, weiß, dass die Billigsalons kritisch gesehen werden. Die Reaktion der Branche beschreibt sie als eine Mischung von Aufschrei und Verwunderung. Viele Friseure fragen sich, warum die Dienstleistungen so günstig angeboten werden können. Wie kann eine derart preiswerte Kalkulation wirtschaftlich überhaupt aufgehen?
Anders rechnen die Friseurketten. „Die Masse macht’s“, sagt Lauschke. Sie kalkulieren für bis zu 70 Filialen und haben dadurch Vorteile beim Produkteinkauf. Außerdem bieten „Filialen in Deutschland verteilt immer einen schnellen Trendaustausch“, sagt Marcel, Mitarbeiter der UNISEX Filiale in Kassel.
Für Klein ist der Preis von 10 Euro nur Slogan um Kunden zu locken, denn „schlussendlich müssen die Leute häufig mehr bezahlen als sie einkalkuliert haben“. Zusatzleistungen zum Haarschnitt werden berechnet. Das geht schon beim Waschen und Föhnen los. Beide Leistungen sind meist im Schnäppchenpreis nicht inbegriffen. Coiffeur Lauschke sagt dazu: „Es ist wie eine Speisekarte: 10 Euro kostet das Hauptgericht und jede weitere Beilage einen Aufschlag. Jeder sucht sich das heraus, was er gerne möchte“.
Einen kurzfristigen Kundenrückgang haben Klein und Nuria Haidari, Inhaberin des Salon Costé, bemerkt: „Manche Kunden sind zwar kurzfristig weggeblieben, dann aber meist unzufrieden vom Billigsalon wiedergekommen“, berichten sie. Diese Unzufriedenheit kann Coiffeur Lauschke von der Hair-Factory nicht verstehen. Bei ihm arbeitet nur geschultes Personal, welches sein Handwerk versteht, denn die Anforderungen an seine Angestellten sind hoch.
Ein weiterer Nachteil beim Discount-Friseur ist, dass die Vermittlung eines Wellness-Gefühls auf der Strecke bleibt, denn das in einem Raum mit vielen anderen Kunden und Friseuren zu vermitteln sei schwierig, zwischenmenschliche Qualität gehe verloren, meint Kaske-Diekmann. Zielen die Schnell-Schneider also vornehmlich auf die jüngere Kundschaft? Die Obermeisterin schränkt ein, dass die Wahl des Friseurs nicht vom Alter, sondern vom eigenen Gefühl abhängig ist, „man ist ja schließlich so jung wie man sich fühlt.“
Bei aller Kritik sieht Klein in den Ketten den Vorteil, dass die Billigsalons oft günstiger sind als Schwarzarbeiter.“ Insofern begreift sie die Discount-Friseure auch als Chance: Leute, die sich früher zu Hause schwarz die Haare schneiden ließen, könnten so „wieder den Weg zum Friseursalon finden“. „Allerdings“, schränkt Kaske-Diekmann ein, „werden die preiswerten Salons die Schwarzarbeit nicht vollkommen verdrängen können“. Marcel von UNISEX zieht den Vergleich mit illegalen Downloads aus dem Internet: „Seit dem man Musik gegen geringe Gebühren aus dem Internet legal herunterladen kann, ist die Zahl der illegalen Downloads gesunken, jedoch nicht drastisch“.
Ein weiteres „nicht zu unterschätzendes Problem“ für die Friseurbranche stellen für Kaske-Diekmann die so genannten Kleinstunternehmen dar. Also Friseure, die unterhalb einer bestimmten Umsatzgrenze liegen und daher von ihren Kunden - im Gegensatz zu dem Großteil ihrer Mitbewerber - keine Mehrwertsteuer verlangen müssen. Die Anzahl der Kleinstunternehmen hat sich stark erhöht. Momentan sind von 70.000 Friseurbetrieben in Deutschland ca. 20.000 Kleinstunternehmen.
Bezüglich der Mehrwertsteuererhöhung ab dem 1. Januar 2007 äußerten sich Billigsalons wie traditionelle Salons gleich. „Auf keinen Fall erhöhen wir die Preise für die Dienstleistungen!“ widerspricht Lauschke vehement. Jedoch muss der Kunde einen höheren Preis für Pflegeprodukte erwarten.
Daten & Fakten
Mit 1.414 Betrieben stellt das Friseurhandwerk die größte Berufsgruppe im Zuständigkeitsbereich der Handwerkskammer Kassel dar. Das sind 57 Unternehmen weniger als noch vor einem halben Jahr. In Stadt und Landkreis Kassel gibt es 419 Friseurbetriebe. 112 davon sind in der Innung organisiert. Laut Statistischem Bundesamt sind die Umsätze im Friseurhandwerk seit einigen Jahren rückläufig. 2005 verbuchte man ein Minus von 1,9 Prozent. Dennoch rangiert die Branche nach wie vor auf Platz zwei der lehrlingsstärksten Handwerksberufe - so vermeldet es das Statistische Bundesamt. Im Kammerbezirk der Handwerkskammer Kassel gibt es 649 Auszubildende im Friseurhandwerk, in der Stadt Kassel 130.
Quelle: Handwerkskammer Kassel (20.10.2006)
hwk-kassel.de
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